Schlagwort: Klerikiller (Seite 1 von 2)

167. Kalenderblatt 16. 06. 2025

Klerikiller Gründung (Fortsetzung und Schluss)

Um die ganze Sache etwas abzukürzen: Der heilige Strohsack und die heilige Pistazie fanden schließlich doch zueinander. Und von diesem Tage an war auch ein geheimer Bund geschlossen zwischen dem heiligen Strohsack und der heiligen Pistazie, der sie zu Weggefährten machte auf dunklen, verborgenen und verbrecherischen Pfaden. Zuerst ahnte keiner von beiden etwas von diesem geheimen Pakt. Aber mit der Zeit ging ihnen die Ahnung auf von der Kumpanei, in die sie auf schicksalhafte Weise hineingedrängt wurden. So flüsterte beispielsweise das Stroh auf dem Nachtlager der heiligen Pistazie dem Mädchen über das Medium des Traumes die Gedanken des heiligen Strohsacks ein, später sollten aus bloßen Gedanken dann auch Gedankenbefehle werden; und umgekehrt verriet der Pistazienkern, den der heilige Strohsack in einem Medaillon eingeschlossen auf seinem Herzen trug, die geheimsten Wünsche seiner Kumpanin, übermittelte ihm auch Antworten auf Fragen, die er ihr im Schlaf gestellt hatte. Im Laufe der Zeit entwickelte sich diese Art der Kommunikation zu absoluter Perfektheit und Zuverlässigkeit, und tolle Dinge sowie spektakuläre Verbrechen sollten später noch daraus erwachsen. Der heilige Strohsack und die heilige Pistazie sollten als die Klerikiller in die Kriminalgeschichte eingehen.

Damit ist die Gründungsphase der Klerikiller beendet. Bevor es weiter geht, bevor Kommissar Zaungast diese Heiligengeschichte mit Profanität besudelt, wollen wir dieses Kapitel nun schließen.

166. Kalenderblatt 15. 06. 2025

Drei Schreckgespenster aus der Besenkammer des bundesrepublikanischen Tollhauses satteln ihre Besen und starten zum Hexenritt ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Besenbeck, Besenbock und Besenbach alias Harbesen, Baerbesen und Lauterbesen. Ein blutsaugerisches, parasitäres, schizophrenes Trio von Totalversagern aus deutschen Landen macht sich auf den Weg, das Evangelium des ‚Neue Besen kehren gut‘ in den Vereinigten Staaten zu verkünden. Eine Gentildonna und zwei Gentilhommes, umweht vom Hauch stupender Frivolität und groteskem Pharisäertum. Wer hat dieses Trio infernale von der Leine gelassen? Wir mögen ja froh sein, dass wir sie los sind, doch die Schatten ihres Wirkens liegen bleischwer über unserem Land. Die Unverfrorenheit, mit der sie nun ihre Ansprüche formulieren, leitet sich einzig und allein aus der schizoiden Dynastie des Größenwahns ab.

Klerikiller (Fortsetzung): Der Teufelsschwanz – fuhr es blitzartig durch seinen Kopf. War denn die verdammte Lügenbrühe, die man ihm damals als Kind in den Schädel getrichtert hatte, immer noch nicht in den unberührbaren Tiefen seiner Seele versickert? Doch nur für eine Sekunde spukte der Gedanke an den Teufel in des Heiligen Kopf, dann griff seine rechte Hand beherzt nach dem Schwanz, zog daran und zerrte einen kreischenden Affen zwischen den beiden Nischenheiligen hervor.

Das Kapuzineräffchen! Unglücksbote und Spion der verhassten Kapuzinermönche! Das Affenbiest schnappte mit den Zähnen nach der Hand des heiligen Strohsack. Dieser ließ erschreckt den Schwanz des Tieres fahren, so dass es sich auf und davon machen konnte. Aufgeregt keifend floh es ins Seitenschiff, da wo die schwarzen Büßerinnen sich versammelt hatten, die in ihren Gebeten und Fürbitten versunken, mit niedergeschlagenen Augen vor dem Beichtstuhl saßen, unter ihnen war auch die heilige Pistazie, was man allein schon an dem herrlichen Duft bemerken konnte, der den gesamten Innenraum der Kirche mit Essenzen beweihräucherte, die nicht von dieser Welt zu stammen schienen.

War es nun die Verlockung dieses Duftes, oder war es ganz einfach Zufall, was den Spion dazu veranlasste, sich ausgerechnet unter den Rock der heiligen Pistazie zu flüchten? Denn entkleiden brauchten sich die Nonnen erst im Beichtstuhl. Wir wissen es nicht. Der Aufruhr aber, der unter den Nonnen entstand, war unbeschreiblich. Es war ein Geflatter und Geflappe sich bauschender Schwarzröcke; ein Gekreische und Gejuche, als wäre der Satan leibhaftig unter die versammelten Nonnen gefahren. Die Ordensfrauen stürmten panikartig aus der Kirche, liefen in völliger Aufgelöstheit ins Freie; ihre schwarzen Kopftücher flatterten waagerecht nach hinten wie vom Winde getragenes Rabengeschwinge; in dem langen, bis auf den Boden reichenden Gefältel der Ordenskleider verfing sich der Wind und blähte und zauste es. Eine große Flatter gab es unter den Nonnen.

Fortsetzung folgt

165. Kalenderblatt 14. 06. 2025

Klerikiller-Mythos (Fortsetzung)

Die Stunde der Beichte war herangerückt. Stumm saßen die bußfertigen Nonnen auf den harten Kirchenbänken und ließen die Perlen des Rosenkranzes durch ihre Finger gleiten. Ihre Lippen formten in kaum wahrnehmbarer Bewegung die Gebetsworte, doch nicht einmal ein Flüstern, nur der sanft ausgehauchte Atem entschwebte in die Stille des Kirchenschiffes.

Der heilige Strohsack hatte gerade die Sakristei verlassen, um seinen Beichtstuhl aufzusuchen, als er auf halbem Wege plötzlich innehielt und mit angehaltenem Atem lauschte … auf ein heiseres Flüstern lauschte. Es klang wie eine Hetzrede; leise, verstohlen, giftig. Der heilige Strohsack schaute nach links, von wo das Geflüster zu kommen schien. Er traute seinen Augen nicht.

Zwei konspirativ dreinschauende Säulenheilige: Der heilige Furunkel und die heilige Latrine, die sich in eine Nische eines der großen Kirchenpfeiler geduckt hatten, schienen miteinander zu tuscheln. Der heilige Strohsack lauschte, ob er denn verstehen könne, was die beiden so miteinander sprachen, was sie sich zu sagen hatten. Sie schnatterten allerdings in einer ihm völlig unbekannten Sprache, mit fremdartigen Lauten, redeten zudem irrsinnig schnell, dass es sich anhörte, als liefe ein Tonband, auf dem Stimmen aufgezeichnet waren, mit viel zu hoher Geschwindigkeit ab.

Dann erblickte der heilige Strohsack in jähem Entsetzen einen geringelten, schwarzbraunen Schwanz, der sich wie der Arm einer Krake um die heilige Latrine gelegt hatte. Der Teufelsschwanz – fuhr es blitzartig durch seinen Kopf.

Fortsetzung folgt.

162. Kalenderblatt 11. 06. 2025

Klerikiller Gründungsmythos (Fortsetzung)

Wenige Wochen nach Schwester Pistaziens Einzug in diesen Hort der Weltabgeschiedenheit, breitete sich im Kloster ein himmlischer Geruch aus. Ein Duft, der ohne Beispiel war, der eine Ahnung vom Paradies anklingen ließ; ein Duft wie von Schuhflickerorangen, von Weihrauch, Myrrhen, Sankt Rochus-Kraut, den erlesensten Parfümen Fabrizio Manikornes, Engelsodem und Hurenschweiß. Dieser Geruch schien direkt von der Novizin Pistazie auszugehen, ihren Poren zu entströmen, ihr Atem war davon geschwängert, ihr Schweiß davon durchtränkt.

Dass diese Nonne ein tiefes Geheimnis in ihrem Wesen barg, das ahnte Pater Spagatius alias der Heilige Strohsack schon lange, noch bevor sie diesen paradiesischen Geruch ihren Poren entströmen ließ. Vielleicht witterte ja sein Unterbewusstsein ihren vergifteten Heiligenschweiß. Jedenfalls wahrte er lange Zeit vorsichtige Distanz zu dieser verlockend geheimnisvollen Person.

Doch der Drang, sich ihr zu nähern, sie endlich zu besitzen, zu beherrschen – körperlich und geistig – der wucherte wie geiles Urwaldgestrüpp, gärte in seinem Inneren wie Hefe. Er erwog, den von ihr ausgehenden himmlisch-seraphischen Geruch als Teufelswerk zu brandmarken und zu verdammen, um sich ihrer dann zu bemächtigen, aber aus den Tiefen seines Unbewussten reckte sich ein warnender Zeigefinger steil in die Höhe und gebot ihm unmissverständlich Halt. Der Mönch war in einer Aufgewühltheit, wie er sie in seinem neuen umgekrempelten Dasein noch nie erlebt hatte, er zweifelte am Sinn seiner Verwandlung, trieb nun beinahe jede Woche den Teufel aus einer Nonne, ein schales Vergnügen, denn es zog ihn zu exquisiteren Formen der Lust hin, zu durch frisches, blaues Blut geadelten Praktiken. Es gelüstete ihn auch plötzlich wieder zu töten, seine Rolle als Exorzist mochte das Verlangen lange Zeit unterdrückt haben, jetzt brach es wieder aus ihm hervor. Jetzt, wo eine rätselhafte Schranke sich zwischen seinen despotischen Willen und dem auserkorenen Gegenstand seiner Begierden gesenkt hatte. Entweder, es gelang ihm bald, diese Schranke niederzureißen, beziehungsweise zu durchbrechen, oder er würde gezwungen sein, dem Wildbachrauschen in seinen Adern zu folgen, das den Blutdurst der inneren Bestie längst aufs Neue geweckt hatte.

Fortsetzung folgt

161. Kalenderblatt 10. 06. 2025

Klerikiller (Fortsetzung) Pater Spagatius

Der Priester, der die Messen im Kloster der rabenschwarzen Büßerinnen zelebrierte, war ein Mönch, dessen ebenmäßige Schönheit, was sowohl das Gesicht als auch den Körperbau anbetraf, etwas beinahe Teuflisches hatte in ihrer widernatürlichen Vollkommenheit. Er nannte sich Pater Spagatius. Im Konvent, dem er angehörte, nahm er eine – wenn nicht herausragende – so doch bemerkenswert auffällige Stellung ein. Er wurde von keinem der Mitbrüder geliebt; obwohl sie ihm nichts vorzuwerfen hatten, mieden die meisten seine Gegenwart, viele hegten sogar eine heimliche Furcht vor ihm. Aber die rabenschwarzen Büßerinnen verehrten diesen Mann mit einer abgöttischen Hingabe und Liebe. In Ehrfurcht versunken hingen sie an seinen Lippen, wenn er predigte oder ihnen die Beichte abnahm. Auch auf die junge Postulantin Pistazie machte dieser Mönch einen bleibenden Eindruck. Keine der Schwestern, nicht einmal die ehrwürdige Mutter Rabea, konnte sich dem geheiligten Einfluss dieses Mannes entziehen, dessen Herkunft unter einem Schleier des Geheimnisses verborgen lag, den zu lüften noch keinem Menschen vergönnt war.

Alle Nonnen, die Oberin eingeschlossen, mussten zur Beichte ungewaschen und nackt vor ihrem Beichtiger erscheinen, was folgenden, leicht nachzuvollziehenden Grund hatte: Aus der Art und Beschaffenheit des Körpergeruchs erkennen nämlich die wahren Heiligen Art und Schwere der Sünden, denn Sünden stinken. Derjenige, der diese Methode klerikaler Diagnostik am perfektesten beherrschte, war zweifellos der heilige Josef von Cupertino. Aber auch dieser adonisgleiche, rätselhafte Mönch, der zweimal die Woche das Kloster der rabenschwarzen Büßerinnen aufsuchte, um den Nonnen dort die Beichte abzunehmen oder die heilige Messe zu lesen, beherrschte diese Kunst in hohem Maße. Nachdem die Ordensfrauen ihm also ihre Sünden gebeichtet hatten, beschmierte der Beichtvater ihre nackten Leiber mit violetter Farbe, welche die Farbe der Büßer und Exorzisten ist. Manchmal mussten die Büßenden diese Farbe auch trinken, und zwar in jenen Fällen, wo der Beichtiger eine ganz bestimmte Witterung aufgenommen hatte: Das verräterische Gemisch von Ausdünstungen wilder Bestien, fauler Eier und schwefelhaltiger Quellen – den Teufelsgestank. In einem solchen Fall war dann in der Regel auch noch ein Exorzismus angesagt, praktiziert vom Pater Spagatius auf dem Nachtlager der vom Teufel verhexten Nonne, indem er mit seinem heiligsten Organ in jene eindrang.

Fortsetzung folgt

150. Kalenderblatt 30. 05. 2025

Gründungsmythos Klerikiller (Fortsetzung)

Die Kargheit und Düsternis von Furzillas Zelle, die künftig auf den Namen Schwester Pistazie hören sollte, hatte zunächst nur Abweisendes für die junge Frau. Ein vergittertes Fenster, ein Stuhl, ein kleiner Tisch, ein Betpult mit Gebetsbuch und Kerzenhalter, ein Kruzifix an der weißgetünchten Wand, eine mit Stroh bedeckte Pritsche. Auf dem Tisch lagen eine Geißel, eine neunschwänzige Katze sowie noch eine geringe Anzahl anderer merkwürdiger Gerätschaften, Folterwerkzeuge, wie es schien; alle dazu dienlich, durch Selbstkasteiung aus einer jungen Frau eine Nonne und später, so es Gottes Wille war, auch eine Heilige zu machen.

Die Fasten- und Büßerspeise, die gewöhnlich auf dem Speiseplan dieses Klosters stand, genügte gerade einmal den dringlichsten, den lebensnotwendigsten Bedürfnissen des menschlichen Körpers. Allerlei Krauch- und Krabbelgeziefer oder etwelches Gewürm, mit knauseriger Kelle portioniert, bildeten die Hauptmahlzeiten; scharfkantiges Gras, das die Zunge und die Lippen zerschnitt, ersetzte den Salat, anstelle von Salz und Pfeffer wurde nur Asche zum Würzen verwendet. Manchmal, an Festtagen oder Sonntagen, gab es eine abscheuliche Brotsuppe, eigentlich zu nahrhaft für eine Büßerspeise, allein wegen ihres unansehnlichen Graus wurde sie von der ehrwürdigen Mutter Rabea als Bestandteil des Speisezettels geduldet. Es wurden aber keine Rosinen in den grauen Brei hineingemengt, sondern pürierte Eicheln, um der Suppe die nötige Bitternis zu geben.

Doch selbst diese abscheuliche Atzung genügte den überhöhten Ansprüchen der Schwester Pistazie an ihr Büßertum auf die Dauer nicht. Bald schon ernährte sie sich ausschließlich von den Küchenabfällen oder von dem, was ihre Mitschwestern übrig ließen; ekelhafte, an den Tellerrand geschleimte Unverdaulichkeiten, stinkende Überreste, ausgespieen, mit Stochern aus Zahnlücken gepult. Und selbst das Spülwasser wurde von ihr langsam durch ein feines Teesieb gegossen, um noch Essensreste aus der schmutzigen Brühe herauszufiltern. Ihren Durst stillte sie nur aus den verschlammtesten Pfützen, demütig, gesenkten Hauptes auf den Knien liegend, um dann in dieser demutsvollen Haltung sich daraus zu laben.

Fortsetzung demnächst

148. Kalenderblatt 28. 05. 2025

Gründungsmythos Klerikiller (Fortsetzung) Das Kloster der rabenschwarzen Büßerinnen.

Das Kloster der rabenschwarzen Büßerinnen war berühmt ob seiner totalen Weltabgeschiedenheit. Zerknirschung und Demut herrschten innerhalb seiner hohen Mauern, die Andachtsübungen und Kasteiungen übertrafen in ihrer Radikalität selbst die Praktiken der strengsten Glaubensfanatiker des Mittelalters und waren von einer unverhohlen masochistischen Qualität. Die ursprünglichen Ordensinsignien dieses kleinen Ordens, der noch lange nicht jede Bewerberin in seine Reihen aufnahm, waren zwei sich kreuzende Palmzweige. Eines Morgens nun entdeckte eine der barmherzigen Schwesten, dass die Palmzweige über Nacht schwarz geworden waren und nun wahrhaftig aussahen wie zwei Rabenfittiche. Wie es sich schnell herausstellte, traf dies auf sämtliche Insignien innerhalb der Klostermauern zu und wurde allgemein als ein Fingerzeig Gottes angesehen. Was Gott aber damit hatte zeigen wollen, darüber gingen die Mutmaßungen weit auseinander. Kurz und gut, der Vorgang führte schließlich dazu, dass die Oberin des Konvents, die ehrwürdige Mutter Rabea, anordnete, Bußübungen und Kasteiungen noch ein weiteres Mal zu verschärfen. Die Rabenflügel aber wurden als geheiligte Insignien des Ordens beibehalten und erfuhren fortan eine abgöttische Verehrung, die den Palmzweigen niemals in dieser Form zuteil geworden war.

145. Kalenderblatt 25. 05. 2025

Gründungsmythos Klerikiller (Fortsetzung)

F. Stinker fühlte sich schuldig am Tode dreier Männer. Alle drei waren sie ihre Liebhaber gewesen, alle drei hatten eine stürmische Liebesnacht mit ihr verbracht und waren kurz darauf plötzlich und unerklärlich verstorben. Ihre Körper gingen in einer verwunderungswürdigen Übereilung des Nicht-Abwarten-Könnens in schleichende, nein schleunigste Verwesung über, was natürlich aufs Stärkste die Neugier, oder vornehmer ausgedrückt: die Wissbegier der Pathologen, Toxikologen und Gerichtsmediziner erregte. Die Zeitspanne, in der diese drei Todesfälle sich ereigneten, belief sich gerade einmal auf vier Wochen, eine an sich doch recht lange Zeit, legt man den großen Verschleiß an Liebhabern zugrunde, der dem hochwohlgeborenen Fräulein Stinker einen, aus Sicht des Familienrates betrachtet, zweifelhaften Ruf eingetragen hatte. Allerdings hatte diese lebenslustige junge Dame ihre Freier zuvor noch nie bis in den Tod verschlissen. Auch die Polizei um Kommissar Zaungast zeigte ein verständliches Interesse an den mysteriösen Todesfällen, alle drei Leichen wurden in konzertierter Kumpanei mit den oben genannten Wissenschaftlern mehrfach obduziert, einbalsamiert, tiefgekühlt, seziert, mumifiziert, schließlich verbrannt, die Asche chemisch analysiert, dann ab in die Urne, Stöpsel drauf und der Friedhofserde übergeben. Dies alles aber, ohne dass der Anfangsverdacht eines Verbrechens sich erhärtet oder bestätigt hätte, wiewohl letzte Zweifel dabei nicht ganz ausgeräumt werden konnten. Furzilla aber entschloss sich des Rätsels Lösung eines nachts in einem denkwürdigen Traum, in einer von Gott gesandten Vision, wie sie glaubte. Gott hatte sie auserwählt und dazu bestimmt, künftig das Dasein einer Heiligen zu führen. Zu diesem Zwecke hatte er ihren Schweiß, nur den, der aus den Quellen fleischlicher Lust gespeist wurde, vergiftet. Und ihre letzten drei Liebhaber hatten fatalerweise von ihrem Schweiß geleckt, woran sie auch elendig verreckten. Das glaubte zumindest Furzilla Stinker. Das war für sie der ausschlaggebende Grund, ihrem bisherigen Lebenswandel zu entsagen, der Schwesternschaft und später vielleicht sogar der Gemeinschaft der Heiligen beizutreten. So begab sie sich eines schönen Tages in das Kloster der rabenschwarzen Büßerinnen. Der Abschied von zu Hause, von ihren Freunden, fiel ihr nicht sonderlich schwer, da sie eine Berufung in sich spürte, die weit über jedes normale Maß von Frömmigkeit und Relgiosität hinausging.

Fortsetzung folgt demnächst

143. Kalenderblatt 23. 05. 2025

Gründungsmythos der Klerikiller (Fortsetzung)

Ganz schwach, vom Getrommel der Tropfen überlagert und durch Cerumen und Duschwasser in den Gehörgängen gedämpft, war das Zerschellen des Glases sowie das dumpfe Hinplumpsen des schweren Körpers von Furzillas Gehörnerven aufgenommen worden. Und sie wusste auch sogleich, was dort nebenan passiert war; wusste um den Anblick, der sie erwartete. In aller Gemütsruhe brauste sie sich den Seifenschaum von ihrer Haut herunter, hüllte sich in ein großes weißes Badetuch, das plüschweich ihren schönen Körper umschmeichelte, und trippelte zurück in das Schlafzimmer. Sie sah den Mann dort liegen, in seiner ganzen Hässlichkeit, den dicken Bauch wie aufgeblasen herausgestreckt. Sie trat näher heran, beugte sich leicht über ihn, weder Mitleid noch Ekel dabei empfindend. Wie sie es erwartet hatte, blühten auf seinen eingefallenen Wangen bereits die schwarzen Nelken des Todes, die Schatten künftiger Verwesung.

„Schon der dritte in diesem Monat“, murmelte Furzilla Stinker. Nachdenklich melkte sie ihr Ohrläppchen und starrte versonnen zur Zimmerdecke hoch. Eine Zitterspinne hangelte sich langbeinig an der Decke entlang, einen Sicherungsfaden hinter sich her spannend. Auch Furzillas Hirn spann einen Faden, ein Garn, wie es sich kein flunkernder Seemann je abstruser hat einfallen lassen. Dann senkte Furzilla Stinker – ganz in Ehrfurcht versunken – den Blick und verfiel stehend in einen Trancezustand, darin sich ihr ein Mysterium offenbarte, ein Mysterium wunderlichsten Charakters und tiefgründigster Provenienz.

Fortsetzung folgt demnächst

142. Kalenderblatt 22. 05. 2025

Bonnie und Clyde im Ordenskleid, alias die Klerikiller, begründeten ihren Bund fürs verbrecherische Leben in einer dritten Mai-Dekade. Alles begann wie folgt:

Herr von Rammelmann saß schnaufend auf der Bettkante. Seine blutunterlaufenen Augen waren gebannt nach vorn gerichtet. Fasziniert verfolgte der schwergewichtige Mann, wie die in schaukelnder Bewegung befindlichen, hinteren Hemisphären des Fräulein Furzilla Stinker sich seinen verschlingenden Blicken langsam und lüstern Richtung Bad entrollten. Herr von Rammelmann schnaufte noch immer, er war gerade glücklich dem Strudel orgiastischer Verzückung entronnen, darin ihn das Fräulein Stinker versetzt hatte. Weder ein Infarkt noch ein apoplektischer Anfall, noch nicht einmal ein Krampf in seinen Storchenwaden hatte seinem Vergnügen Abbruch getan. Herr von Rammelmann befand sich im Zustand seligmachender, sattsamer Zufriedenheit. Noch war das Empfinden der Leere, das Gefühl der moralischen Verkaterung, ja eines gewissen Ekels, das ihn gewöhnlich nach dem vollzogenen außerehelichen Geschlechtsakt befiel, nicht in seinem Bewusstsein aufgetaucht, es ruhte derweil noch in der schlummernden Harmlosigkeit tieferer Schichten.

Herr von Rammelmann empfand einen leicht salzigen Geschmack auf der Zunge, dieser rührte her vom Schweiß seiner jungen Mätresse, den er eben noch gierig aufgeleckt hatte, und der ihm ein ozeanisches Gefühl vermittelte, ein Gefühl von Meeresbrandung und Möwengekreische, von grenzenloser Weite, von Abenteuer, von Freiheit. Von welch grundlegend anderer Beschaffenheit war doch das Salz der Lust, verglichen mit dem Salz aus dem Schweiße körperlicher Fron oder dem bitteren Salz der Tränen, sinnierte Herr von Rammelmann und versuchte, sich noch etwas von jenem Geschmack in seinem Munde zu bewahren. Er lauschte auf das Prasseln des Wassers im Duschbecken und versuchte, sich dabei den nackten Körper seiner um vierzig Jahre jüngeren Konkubine vorzustellen, wie ihre jugendlich straffe Haut unter dem fließenden Wasser verführerisch glänzte und schimmerte. Aber diese Vorstellung vermochte nicht, dass sich sein erschlafftes Glied wieder aufrichtete.

Mechanisch griff Herr von Rammelmann zu einem Glas Wasser, das auf einem Kommödchen neben dem Doppelbett stand, denn es hatte sich eine seltsame Geschmacksnuance unter seiner Zunge eingenistet, die ihm höchst unwillkommen war und die er umgehend wieder loszuwerden trachtete. Seine Finger umklammerten das Glas, wie um sich daran festzuhalten, weiß schimmerten die Knöchel durch die Haut hindurch, weiß verfärbte sich Herrn von Rammelmanns Gesicht, seine Augen wurden glasig und starr. Die Pupillen weiteten sich zu abgründigen Trichtern, darin verblichene Wollust, schwindendes Hochgefühl sowie eine aufkeimende Todesahnung sich in einem entsetzlichen Strudel befanden, dann sekundenschnell abstürzten, um augenblicklich in schierem Terror zu versumpfen. Der massige, unförmige Körper wankte, taumelte noch ein paar Schritte vorwärts und fiel dann schräg vornüber. Das Glas entglitt Rammelmanns krampfartig sich versteifenden Fingern und zerbarst klirrend auf dem Parkett. Der Fallende ruderte noch wie hilfesuchend mit seinen Armen. Vergeblich. Er fand keinen Halt mehr. Den Körper nur mehr auf einem Bein balancierend, knickte Rammelmann mit dem Fuß ein, drehte sich halb um die eigene Achse und stürzte endlich zu Boden, wo er regungslos auf dem Rücken liegen blieb.

Herr von Rammelmann war tot. Mausetot.

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