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120. Kalenderblatt 30. 04. 2025

30. April, die Nacht zum ersten Mai. Walpurgisnacht.

Das Diktat der Aufklärung hat sie in die Verbannung geschickt, die Hexen vom Blocksberg. Doch einmal im Jahr erheben sie sich, auf ihren Besen reitend, zu neuer Daseinsfrische in den Himmel der Walpurgisnacht. Und die verödete Nachtseite des aufgeklärten Menschen beginnt klammheimlich zu gären unter dem erstarrten Panzer wissenschaftshöriger Unfehlbarkeit. Diese Nacht zelebriert ein Sich-Gewahr-Werden unserer mystischen Wurzeln, die tiefer reichen als der Anker des ‚Gesunden Menschenverstandes‘. Dieses in seinem Wert völlig unterschätzte Erbe sollten wir ehren und pflegen, nicht nur in der Walpurgisnacht.

119. Kalenderblatt 29. 04. 2025

Zwischenbemerkung. Falls sich der Kalendar richtig erinnert, so lautet ein Satz von Epiktet in etwa wie folgt: ‚Wenn du im Studium der Weisheit reüssieren willst, so scheue dich nicht, in äußerlichen Dingen als Schwachkopf zu erscheinen.‘ Wer sollte da noch die Weisheit von Scholz, Baerbock, Habeck, Merz, Söder und Konsorten in Frage stellen wollen?

Zaungast und die fahnenflüchtige Idee (Fortsetzung)

Zaungast zum obersten Hüter des Trugs: „Mein Herr, die Idee ist eingekreist, ein Entkommen somit unmöglich. Wir haben sie auch bereits identifiziert. Es ist Udo.“

„Udo?“ äußerte der Bewahrer des Trugs zweifelnd, „ich wüsste nicht, Herr Kommissar …“

„Aber ich weiß!“ fiel ihm Zaungast ins Wort. „Es ist Udo und basta!“

Meldung von Agent Z1: Ärzte und Pflegepersonal der psychiatrischen Privatklinik Professor Zwiebel registrieren vermehrt Spuren eines unidentifizierbaren Denkobjekts, das Patienten dort in höchste Verwirrung stürzt. Allein gestern wurden in der Klinik viereinhalb Selbsttötungen registriert. Könnte sich dabei um den gesuchten Udo handeln. Ist möglicherweise aber auch mondphasenbedingt.

Zaungast: Udo könnte versuchen, ein Vakuum auszufüllen, einen Hohlkopf beispielsweise, vielleicht versucht er auch, in eine Gesetzeslücke zu stoßen oder die Ideenlosigkeit auszufüllen, die im gegenwärtigen Literaturbetrieb herrscht.

Agent Z7: Absolut ungewöhnliche Erscheinung gesichtet. Eine zwielichtige Gestalt gießt mit einer großen Schöpfkelle weißes Licht in eine trübe Laternenfunzel. Ist es Udo?

Fortsetzung folgt vermutlich am 1. oder 2. Mai. Morgen gedenken wir der Walpurgisnacht, der Nacht zum ersten Mai.

118. Kalenderblatt 28. 04. 2025

Eilmeldung: Rechtsradikales Gesindel führte gestern erneut eine Hass- und Hetzkampagne gegen die vier Auskungler des rot-schwarzen Koalitionsvertrages, die in der Verleumdung gipfelte, die vier seien anständig geworden.

Fortsetzung ‚Zaungast und die fahnenflüchtige Idee‘. Zaungast sammelt die Informationen seiner Agenten.

Agent Z2: Habe soeben Posten bezogen vor Patentamt, da besagte Idee versuchen könnte, sich patentieren zu lassen.

Agent Z4: Bin auf unbeschriebenes Blatt gestoßen, flatternd im Wind eigener Mutmaßungen. Trotz sofortiger Verfolgung des potenziellen Ideenträgers konnte ich das Blatt noch nicht dingfest machen. Bin dem Objekt aber hart auf den Fersen.

Agent Z1: Hallo, Herr Kommissar, habe soeben Wind bekommen aus einer wenig honorigen Körperöffnung eines durch und durch honorigen Mannes, dem ich aufgrund dieser Peinlichkeit Anonymität zugesichert habe. Die Wohlhonorigkeit dieser integren Persönlichkeit lässt meines Erachtens ganz klar auf ein Fremdverschulden schließen. Halte es durchaus für möglich, dass fahnenflüchtige Idee in der Tarnwolke eines Pupsers zu entkommen versuchte.

Agent Z8: Mehrere staatliche und kommunale Behörden haben augenscheinlich ihre Schlafmützen abgelegt und der Altkleidersammlung übergeben. Finde dies höchst bemerkenswert und verdächtig.

Agent Z5: Melde mich direkt vom Parlamentsgebäude. Ein Zeuge hat hier angeblich den Hauch einer undefinierbaren Idee vorbeistreichen sehen. Am Parlamentsgebäude? Eine Idee? Der Zeuge erscheint mir wenig glaubwürdig, obwohl gerade das Parlament in den Ferien ist. Die Bude steht so gut wie leer.

Agent Z3: Befinde mich auf dem Zentralfriedhof. Etwas, das einer Idee ähneln könnte und einen eindeutig futuristischen Charakter besitzt, hat hier starke atmosphärische Störungen ausgelöst. Höchst verwirrend an einem Ort, wo das Perfekt und das Plusquamperfekt vorherrscht. Da es sich um ein völlig undefiniertes, unidentifiziertes Denkobjekt handelt, habe ich es Udo genannt.

117. Kalenderblatt 27. 04. 2025

Sonntag, der 27. April 2025, Zaungasts Wort zum Sonntag

In der Regel steht die Einträglichkeit eines Broterwerbs im umgekehrten Verhältnis zu seiner allgemeinen Nützlichkeit. Die Berufe, die mit fürstlichen Gehältern honoriert werden wie beispielsweise Profisportler oder Berufe im Bereich des Showgeschäfts tendiernen in ihrer Nützlichkeit gegen Null, schaden sogar noch häufig der geistigen Volksgesundheit, deren Niveau sie bestrebt sind, konsequent niedrig zu halten. Berufe mit einem unbestreitbaren Nutzwert jedoch werfen oftmals nur einen Hungerlohn ab.

Fortsetzung von ‚Zaungast und die fahnenflüchtige Idee‘ folgt auf dem nächsten Blatt.

116. Kalenderblatt 26. 04. 2025

Zaungast und die fahnenflüchtige Idee (Fortsetzung)

Die Hüter der einbalsamierten Wahnideen, des für erhaben erachteten menschlichen Gedankenguts, irrten rat- und rastlos durch die finsteren Korridore ihres Luftschlosses, während ihr oberster Gralshüter bei Kommissar Zaungast weilte.

„Herr Kommissar, in unserem Hochsicherheitstrakt herrschte stets eine geradezu diktatorische Klarheit, eine Klarheit, die keinen Unterschied machte zwischen Glauben und Wissen und die nun der Anarchie des Zweifelns gewichen ist. Es werden Fragen gestellt und die Menschen beginnen zu denken.“

„Und verantwortlich für diese Anarchie ist die fahnenflüchtige Idee?“

„Das steht außer Zweifel, Herr Kommissar.“

„Aha“, sagte Zaungast, „aber damit hätten wir der Anarchie doch schon wieder wertvolles Terrain abgerungen. Auf welche Fahne hat diese Idee eigentlich ihren Eid geschworen?“

„Wir wissen ja nicht, um welche Idee es sich handelt, Herr Kommissar.“

„Na ja“, meinte Zaungast, „egal, jetzt geht es erst einmal darum, den Ausreißer zu finden. Wie Ihnen vielleicht bekannt sein dürfte, verfüge ich über ein die ganze Welt umspannendes Netz von Agenten, über … äh … ja, über Zaungäste an allen strategisch wichtigen Punkten. Meine Leute schauen über den Zaun hinweg, hinter den Zaun und unter den Zaun hindurch, das heißt also, ihnen bleibt nichts verborgen.“

„Großartig, Herr Kommissar.“

„Seien Sie also versichert, dass wir Ihre Idee finden und zurückbringen werden, oder aber unschädlich machen, je nach Charakter und Gefährdungspotenzial der Idee. Und nun muss ich Sie dringend bitten, zu verduften, damit ich unverzüglich die notwendigen Maßnahmen einleiten kann.“

Fortsetzung folgt

115. Kalenderblatt 25. 04. 2025

Als der Gralshüter des Trugs, der Chef der am strengsten bewachten Internierungsanstalt dieser Erde, dessen Identität wir nicht preisgeben dürfen, an einem 25. April Kommissar Zaungast seine Aufwartung machte, um ihn um Beistand in einer äußerst heiklen Angelegenheit zu bitten, da führte Zaungast gerade höchst tiefgründige, wenn auch mehr monologisierende Zwiesprache mit seinem Tresor.

„Wo gibt es einen sichereren Platz auf dieser Welt, als in dieser rechteckigen Höhlung, die mich hier so sphinxhaft anlächelt. Denn selbst der Mann mit der roten Jacke, das Kontrabass spielende Känguru und die singende Puderquaste sind hier sicher verwahrt. Das ist schon kein Perfektionismus mehr, das ist schiere Perfektomanie.“

„Großartig, Herr Kommissar“, sprach der Gralshüter des Trugs spontan seinen Beifall aus, „ich sehe, Sie sind mein Mann, meine und unser aller Rettung.“

Zaungast wandte sich um. „Wer sind Sie? Worum geht es?“

Der Mann stellte sich vor und breitete sein Dilemma vor Kommissar Zaungast aus: „Aus unserem streng bewachten Gehege der Illusionen ist eine Idee entflohen. Doch niemand kann mit Bestimmtheit sagen, um welche Idee es sich dabei handelt. Sie werden verstehen, dass dies der Supergau ist, allein deswegen, weil der bloße Schein in geistiger Hinsicht stets als gefährlicher einzustufen ist, als die unumstößliche Gewissheit. An den Auswirkungen der Idee auf das Leben, auf die Natur, auf die Menschheit sowie auf den weiteren Verlauf der Weltgeschichte, wird man vielleicht später Rückschlüsse ziehen können auf die Identität der Idee, falls wir ihr nicht vorher habhaft werden. Deswegen ist es essentiell, die Idee so bald als möglich dingfest zu machen.“

Fortsetzung folgt

114. Kalenderblatt 24. 04. 2025

Zaungasts Vorschlag, das zutiefst rassistische Lied ‚Zehn kleine Negerlein‘ durch ein zeitgemäßes Lied zu ersetzen: ‚Der Führer‘ oder ‚Die Seilschaft‘. Kann sowohl politisch als auch alpinistisch interpretiert werden.

Die Seilschaft stieg den Berg hinan, ein Führer und zehn hintendran.

Den Letzten hat der Schalk geritten, er hat sich selber abgeschnitten.

Die Seilschaft stieg den Berg hinan, ein Führer und neun hintendran.

Ein Fehltritt, dann ein Sturz, verdammt. Da waren’s neune insgesamt.

Die Seilschaft stieg den Berg hinan, ein Führer und acht hintendran.

Noch einer ist zurückgeblieben, und da waren’s nur noch sieben.

Die Seilschaft stieg den Berg hinan, ein Führer … sieben hintendran.

Der Führer schaut sich bangig um, sagt ‚Sappradi, der Tod geht um!

Die Seilschaft stieg den Berg hinan, ein Führer und sechs hintendran.

Und der Nächste dieser Runde blieb zurück, ging vor die Hunde.

Die Seilschaft stieg den Berg hinan, ein Führer und fünf hintendran.

‚Das Steigen, das ist kein Plaisier‘, sagt einer und da waren’s vier.

Die Seilschaft stieg den Berg hinan, ein Führer und vier hintendran.

Ein Mann war müd‘, wollt nicht mehr mit, da waren sie nur noch zu dritt.

Die Seilschaft stieg den Berg hinan, ein Führer und drei hintendran.

‚Bin kein geborener Alpinist‘, sagt einer und hat sich verpisst.

Die Seilschaft stieg den Berg hinan, ein Führer und zwei hintendran.

Der Hintere fand das Ziel zu weit, da waren sie nur noch zu zweit.

Die Seilschaft stieg den Berg hinan, ein Führer … einer hintendran.

Auf dessen Haupt fielen zwei Steine, da ging der Führer ganz alleine.

Das ist unausweichliches Schicksal eines jeden Führers!

113. Kalenderblatt 23. 04. 2025

Den heutigen Tag hat die Unesco zum Unesco-Welttag des Buches deklariert. Laut Kommissar Zaungast aber sind mindestens 99 Prozent aller Bücher nichts anderes als gebrauchtes Papier. Wer kauft gebrauchtes Papier, beispielsweise Toilettenpapier?

Kommissar Zaungast zum Nobelpreis-Komitee: Einen Stall voller Wallache und unfruchtbarer, frigider Schindmähren hat die schwedische Akademie mit der Wahl ihrer Literatur-Nobelpreisträger da zusammengepfercht. Es ist nicht ein einziger Hengst unter ihnen, nicht eine einzige Mutter, deren Milch über die nährende Kraft der Imagination verfügt. Das Trommeln ihrer Hufe befindet sich im gleichen Taktmaß mit dem Getrampel der Masse, ihr Wiehern ist weder originell noch rebellisch noch sonst was, lediglich ein leicht angesäuerter Schluckauf halbverdauten Gedankensalats.

Und unsere Gegenwartsautoren und Doktoranden? Letzte Hand an ihr Manuskript zu legen, kann für diese nur bedeuten, es dem Reißwolf zum Fraß vorzuwerfen.

112. Kalenderblatt 22. 04. 2025

Wir befinden uns in der dritten Dekade des April. Die Spargelzeit beginnt. Gourmets schlürfen sich die mit Bitterstoffen gesättigten weißen und grünen Stangen genüsslich hinein, wo es den meisten Kindern den Mund verziehen würde. Ein jeder wird sich eingestehen, dass er als Erwachsener schlechter sieht, schlechter hört, schlechter memoriert … als die Kinder. Man könnte die Aufzählung nach Belieben fortsetzen. Alles wird mit der Zeit eben schlechter, nichts wird besser. Was aber den Geschmackssinn angeht, behaupten die Erwachsenen, dass er nicht schlechter ist, sondern nur anders als bei Kindern. So schlürfen sie ihren essigsauren Wein, den sie als trocken etikettieren, kippen sich ihr hopfig-bitteres Bier hinter die Kiemen und lutschen das bittere Gemüse, das aus der Erde wächst.

Oder ist es auch seine steil aufragende phallische Struktur, die den Spargel so beliebt macht?

111. Kalenderblatt 21. 04. 2025

War das nun Blasphemie gestern in Zaungasts Jahreskalender, den Heilsbringer der Christenheit als Stehaufmännchen zu bezeichnen?

Bedenkt man, dass Blasphemie noch bis weit in das zwanzigste Jahrhundert hinein mitten im aufgeklärten Europa als eine Straftat angesehen und dementsprechend geahndet wurde, darf man sich über religiösen Fundamentalismus in anderen Regionen unserer Welt gar nicht wundern.

Gesetzt den Fall, es gibt gar keinen Gott, dann ist der Begriff Blasphemie an sich schon gegenstandslos. ‚Aber es gibt auf jeden Fall die Idee eines Gottes‘ mag man einwenden. Gewiss, aber kann eine Idee beleidigt werden? Gewiss nicht, allenfalls der Mensch als Träger der Idee.

Gesetzt den Fall, Gott existiert tatsächlich, dann ist die Vorstellung von Blasphemie sogar noch weitaus absurder, denn Gott kann man weder lästern noch beleidigen, man kann ihn nicht einmal denken, er befindet sich jenseits all dessen, was sich in eine Vorstellung bannen lässt. So wird der Begriff Blasphemie vollends ad absurdum geführt. Gott steht jenseits dessen, was sich lästern lässt!

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