163. Kalenderblatt 12. 06. 2025

Aus Kommissar Zaungasts Aphorismen-Sammlung

Phlegmatisches Denken verkehrt sich in den daraus resultierenden Handlungsweisen nicht selten in sein Gegenteil und wird cholerisch. Als Beispiel mögen hierfür Politiker dienen. Phlegmatisch im Denken, cholerisch vom Temperament.

Von der Spule ihrer gedankenlosen Torheit läuft ein starkes, festes Tau. Von den Spulen ihres Denkens aber läuft ein Zwirnsfaden. Von der Spule ihres Hochmuts läuft ein Galgenstrick.

Die Gehirnakrobatik des Friedrich Merz: Dem logischen Purzelbaum folgt eine Rolle rückwärts.

Auch über dem Stammbaum der Adelshäuser thront ein Affe.

Das Spießige am Spießbürger ist das Stumpfe seines Denkens.

Man kann bisweilen einen Sinn aus einem Unsinn herleiten. Einen Unsinn aus einem Sinn ableiten, das geht immer.

Der erste Schleudersitz der Geschichte war vermutlich ein Thronsessel.

162. Kalenderblatt 11. 06. 2025

Klerikiller Gründungsmythos (Fortsetzung)

Wenige Wochen nach Schwester Pistaziens Einzug in diesen Hort der Weltabgeschiedenheit, breitete sich im Kloster ein himmlischer Geruch aus. Ein Duft, der ohne Beispiel war, der eine Ahnung vom Paradies anklingen ließ; ein Duft wie von Schuhflickerorangen, von Weihrauch, Myrrhen, Sankt Rochus-Kraut, den erlesensten Parfümen Fabrizio Manikornes, Engelsodem und Hurenschweiß. Dieser Geruch schien direkt von der Novizin Pistazie auszugehen, ihren Poren zu entströmen, ihr Atem war davon geschwängert, ihr Schweiß davon durchtränkt.

Dass diese Nonne ein tiefes Geheimnis in ihrem Wesen barg, das ahnte Pater Spagatius alias der Heilige Strohsack schon lange, noch bevor sie diesen paradiesischen Geruch ihren Poren entströmen ließ. Vielleicht witterte ja sein Unterbewusstsein ihren vergifteten Heiligenschweiß. Jedenfalls wahrte er lange Zeit vorsichtige Distanz zu dieser verlockend geheimnisvollen Person.

Doch der Drang, sich ihr zu nähern, sie endlich zu besitzen, zu beherrschen – körperlich und geistig – der wucherte wie geiles Urwaldgestrüpp, gärte in seinem Inneren wie Hefe. Er erwog, den von ihr ausgehenden himmlisch-seraphischen Geruch als Teufelswerk zu brandmarken und zu verdammen, um sich ihrer dann zu bemächtigen, aber aus den Tiefen seines Unbewussten reckte sich ein warnender Zeigefinger steil in die Höhe und gebot ihm unmissverständlich Halt. Der Mönch war in einer Aufgewühltheit, wie er sie in seinem neuen umgekrempelten Dasein noch nie erlebt hatte, er zweifelte am Sinn seiner Verwandlung, trieb nun beinahe jede Woche den Teufel aus einer Nonne, ein schales Vergnügen, denn es zog ihn zu exquisiteren Formen der Lust hin, zu durch frisches, blaues Blut geadelten Praktiken. Es gelüstete ihn auch plötzlich wieder zu töten, seine Rolle als Exorzist mochte das Verlangen lange Zeit unterdrückt haben, jetzt brach es wieder aus ihm hervor. Jetzt, wo eine rätselhafte Schranke sich zwischen seinen despotischen Willen und dem auserkorenen Gegenstand seiner Begierden gesenkt hatte. Entweder, es gelang ihm bald, diese Schranke niederzureißen, beziehungsweise zu durchbrechen, oder er würde gezwungen sein, dem Wildbachrauschen in seinen Adern zu folgen, das den Blutdurst der inneren Bestie längst aufs Neue geweckt hatte.

Fortsetzung folgt

161. Kalenderblatt 10. 06. 2025

Klerikiller (Fortsetzung) Pater Spagatius

Der Priester, der die Messen im Kloster der rabenschwarzen Büßerinnen zelebrierte, war ein Mönch, dessen ebenmäßige Schönheit, was sowohl das Gesicht als auch den Körperbau anbetraf, etwas beinahe Teuflisches hatte in ihrer widernatürlichen Vollkommenheit. Er nannte sich Pater Spagatius. Im Konvent, dem er angehörte, nahm er eine – wenn nicht herausragende – so doch bemerkenswert auffällige Stellung ein. Er wurde von keinem der Mitbrüder geliebt; obwohl sie ihm nichts vorzuwerfen hatten, mieden die meisten seine Gegenwart, viele hegten sogar eine heimliche Furcht vor ihm. Aber die rabenschwarzen Büßerinnen verehrten diesen Mann mit einer abgöttischen Hingabe und Liebe. In Ehrfurcht versunken hingen sie an seinen Lippen, wenn er predigte oder ihnen die Beichte abnahm. Auch auf die junge Postulantin Pistazie machte dieser Mönch einen bleibenden Eindruck. Keine der Schwestern, nicht einmal die ehrwürdige Mutter Rabea, konnte sich dem geheiligten Einfluss dieses Mannes entziehen, dessen Herkunft unter einem Schleier des Geheimnisses verborgen lag, den zu lüften noch keinem Menschen vergönnt war.

Alle Nonnen, die Oberin eingeschlossen, mussten zur Beichte ungewaschen und nackt vor ihrem Beichtiger erscheinen, was folgenden, leicht nachzuvollziehenden Grund hatte: Aus der Art und Beschaffenheit des Körpergeruchs erkennen nämlich die wahren Heiligen Art und Schwere der Sünden, denn Sünden stinken. Derjenige, der diese Methode klerikaler Diagnostik am perfektesten beherrschte, war zweifellos der heilige Josef von Cupertino. Aber auch dieser adonisgleiche, rätselhafte Mönch, der zweimal die Woche das Kloster der rabenschwarzen Büßerinnen aufsuchte, um den Nonnen dort die Beichte abzunehmen oder die heilige Messe zu lesen, beherrschte diese Kunst in hohem Maße. Nachdem die Ordensfrauen ihm also ihre Sünden gebeichtet hatten, beschmierte der Beichtvater ihre nackten Leiber mit violetter Farbe, welche die Farbe der Büßer und Exorzisten ist. Manchmal mussten die Büßenden diese Farbe auch trinken, und zwar in jenen Fällen, wo der Beichtiger eine ganz bestimmte Witterung aufgenommen hatte: Das verräterische Gemisch von Ausdünstungen wilder Bestien, fauler Eier und schwefelhaltiger Quellen – den Teufelsgestank. In einem solchen Fall war dann in der Regel auch noch ein Exorzismus angesagt, praktiziert vom Pater Spagatius auf dem Nachtlager der vom Teufel verhexten Nonne, indem er mit seinem heiligsten Organ in jene eindrang.

Fortsetzung folgt

160. Kalenderblatt 09. 06. 2025

Neunter Juni 1886. In ganz Deutschland und speziell in Bayern erheben sich lauthals Klage und Protest zum weiß-blauen Himmel. König Ludwig der Zweite wird durch ein Gutachten, das dem Gutachten des Verfassungsschutzes über die AFD in seiner Dürftigkeit in nichts nachsteht, entmündigt. Federführend bei dem fadenscheinigen Gutachten war Doktor Gudden, der Ahnherr des Verfassungsschutzes. Der Überlieferung nach bediente sich auch König Ludwig einst jener verfemten Worte, deren Exklusivrechte in einem weisen Entschluss Herrn Hitler zugesprochen wurden: a… f… D…

159. Kalenderblatt 08. 06. 2025

Letztes Jahr zu Pfingsten traf es die Eichhörnchen, davor die Ameisenbären und davor die Eintagsfliegen. Der Heilige Geist warf ein erhellendes Licht auf den Verständnishorizont dieser Auserwählten. Wann endlich erlöst der spirituelle Führer der göttlichen Trinität die in unermesslicher Blödsinnigkeit versumpfenden Politiker aus ihrer grotesken Bedarftheit und illuminiert auch deren Horizonz?

158. Kalenderblatt 07. 06. 2025

Aus Kommissar Zaungasts Abbreviaturen-Lexikon

AFD (Kann nur verschlüsselt wiedergegeben werden. Ansonsten landet der Lexikograph im Knast) ARD (Allgegenwärtig Rotierende Desinformation) BSW (Beschränkte Subkortikale Wahrnehmung) CDU (Christdemokratisch Definierte Unmoral) CSU (Christliche Werte Sabotierende Union) DB (Dauer-Baustelle) DFB (Deppertes Fusslastiges Banausentum) EKD (Enklave Kalamitärer Dummköpfe) EU (Erbarmenswürdige Untauglichkeit) KI (Kognitive Insuffizienz) NATO (No Action Talk Only) NGO (Niederträchtig Gesinnte Oligarchie) SPD (Sozial Parasitäre Dummköpfe) ZDF (Zentralstelle Defätistischer Fake-News)

157. Kalenderblatt 06. 06. 2025

In seiner Abhandlung über Literatur und Psychoanalyse bezieht Carl Gustav Jung Stellung zu den Wesensmerkmalen phantastischer, grotesker Literatur. Vorab trifft er eine grobe Unterteilung in psychologische und nicht psychologische Literatur. Unter psychologischer Literatur versteht er alles, was sich im Rahmen der Psychologie erklären lässt, wie Liebe, Hass und andere menschliche Gefühlsregungen. In nicht psychologischer Literatur hingegen ist alles rätselhaft, sie speist sich aus der unbewussten Tiefe der Autoren, wobei der Autor verzweifelt nach Worten ringt, ein Adjektiv auf das andere wälzt, um dem Ausdruck zu verleihen, was aus seinem kollektiven Unbewussten aufsteigt. In dieser Literatur sah Jung die – zumindest für den Psychoanalytiker – interessantere Literaturform, was allerdings nichts über den literarischen Wert der Werke von Autoren wie Lovecraft oder Rider Haggard aussagen soll. Auch in Goethes Faust findet sich diese Gegenüberstellung von psychologischer und nicht psychologischer Literatur. Faust 1 ist psychologisch erklärbar, in Faust 2 bleibt alles im unbewussten Dunkel. Carl Gustav Jung starb heute vor 64 Jahren, zu früh, um auch Kommissar Zaungast kennenzulernen.

Am gleichen Datum des Jahres 1880 wurde Norbert Jacques geboren, der Schöpfer des Doktor Mabuse, den wir bereits auf einem früheren Blatt dieses großartigen Kalenders gewürdigt hatten.

156. Kalenderblatt 05. 06. 2025

Da der Verfasser dieser Zeilen nun mal aus dem Paderborner Land stammt, fühlt er sich genötigt, doch noch ein paar Worte zum Hühnerballett im Paderborner Dom zu verlieren.

Weder der Kirche als Institution noch seinen sich selbst zum Gespött machenden Vertretern kann man noch mit Respekt begegnen. Das gilt für die beiden großen Amtskirchen, und es gilt auch für die allermeisten Vertreter aus den Reihen der Politiker. Diese lächerlich abgeschmackte Inszenierung im Paderborner Dom war Kultur aus der Kloake, war Kaldaunenkultur. Sowohl die Grillenreiter auf der Bühne (dem Altar) als auch die Honoratioren in vorderster Reihe, denen allerdings jegliche Honorigkeit abzugehen scheint, konnten sich wohl den Windeln ihrer Infantilität noch nicht entledigen. Was muss in diesen umwölkten Hirnen vorgehen, um solchem Schwachsinn noch Beifall zu zollen?! Diese Darbietung war so flach, dass sie in Konkurenzkampf mit einem Blatt einlagigem Toilettenpapier treten könnte. Ich will hier nicht einmal der Verletzung religiöser Gefühle das Wort reden, religiöse Gefühle kann man gar nicht verletzen, sofern sie echt sind. Aber diese erbärmliche ‚Show‘ im Paderborner Dom war einfach nur erbärmlich, infantil, geisteskrank. Wie tief soll das Niveau in diesem Land noch sinken?

155. Kalenderblatt 04. 06. 2025

An Karl Valentin, den unvergessenen Fackelträger skurrilen Humors, führt kein Weg vorbei. Wir hatten ihn schon am neunten Februar, seinem Todesdatum, gewürdigt. Und heute datiert der Tag seiner Geburt. Und bis heute hat sein Humor noch keinen Staub angesetzt, während viele Vertreter eines platten und vordergründigen Humors sowie etliche Fernsehclowns im Staub der Vergessenheit versunken sind. Die Melone, seine hagere gebeugte Gestalt, das lange Beingestöckel, so sehen wir ihn vor uns. In dieser zu einem warmen Lächeln reizenden Gestalt hat sich die Natur beileibe keiner Falschmeldung befleissigt.

Fortsetzung vom Mythos der Klerikiller folgt demnächst.

154. Kalenderblatt 03. 06. 2025

Franz Kafka, ein Meister des Absurden, starb am dritten Juni 1924.

Von wem wurde Franz Kafka nicht schon alles vereinnahmt, was wurde nicht alles in seine Texte hinein gedeutet. Von einem religionspsychologischen Ansatz wie dem von Max Brod bis hin zu marxistischen Deutungen. Als geistiger Erbe Kierkegaards wurde er von einigen Autoren gar angesehen. Zergliedert und zerpflückt wurde sein Werk, um den so erhaltenen Fragmenten Versatzstücke aus allen möglichen Schubladen an die Seite zu stellen.

In Peter U. Beickens Einführung in die Kafka-Forschung beispielsweise finden sich tausende verschwurbelter Sätze wie diesen hier: „Kafkas Theorie des Sozialen ist die Proklamation einer negativen Lehre, die der Erfahrung der Entfremdung und der Kritik an den bestehenden Gesellschaftsformen und am Institutionellen entspringt. Die Reduzierung des Ich auf Partialtriebe, diese Hemmung der natürlichen Bedürfnisse, der Wissensbegierde und der inneren Entfaltung durch Einschüchterung ist eine soziale Forderung, d. h. eine Notwendigkeit der sozialen Sphäre …“

Da möchte Kommissar Zaungast doch eher Hermann Hesse beipflichten, der in seinen Schriften zur Literatur ausführt: „Kafkas Erzählungen sind nicht Abhandlungen über religiöse, metaphysische oder moralische Probleme, sondern Dichtungen. Kafka hat uns weder als Theologe noch als Philosoph etwas zu sagen, sondern einzig als Dichter. Dass seine großartigen Dichtungen heute Mode geworden sind, dass sie von Menschen gelesen werden, die nicht begabt und gewillt sind, Dichtung aufzunehmen, daran ist er unschuldig.“

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