Klerikiller Gründungsmythos (Fortsetzung)
Wenige Wochen nach Schwester Pistaziens Einzug in diesen Hort der Weltabgeschiedenheit, breitete sich im Kloster ein himmlischer Geruch aus. Ein Duft, der ohne Beispiel war, der eine Ahnung vom Paradies anklingen ließ; ein Duft wie von Schuhflickerorangen, von Weihrauch, Myrrhen, Sankt Rochus-Kraut, den erlesensten Parfümen Fabrizio Manikornes, Engelsodem und Hurenschweiß. Dieser Geruch schien direkt von der Novizin Pistazie auszugehen, ihren Poren zu entströmen, ihr Atem war davon geschwängert, ihr Schweiß davon durchtränkt.
Dass diese Nonne ein tiefes Geheimnis in ihrem Wesen barg, das ahnte Pater Spagatius alias der Heilige Strohsack schon lange, noch bevor sie diesen paradiesischen Geruch ihren Poren entströmen ließ. Vielleicht witterte ja sein Unterbewusstsein ihren vergifteten Heiligenschweiß. Jedenfalls wahrte er lange Zeit vorsichtige Distanz zu dieser verlockend geheimnisvollen Person.
Doch der Drang, sich ihr zu nähern, sie endlich zu besitzen, zu beherrschen – körperlich und geistig – der wucherte wie geiles Urwaldgestrüpp, gärte in seinem Inneren wie Hefe. Er erwog, den von ihr ausgehenden himmlisch-seraphischen Geruch als Teufelswerk zu brandmarken und zu verdammen, um sich ihrer dann zu bemächtigen, aber aus den Tiefen seines Unbewussten reckte sich ein warnender Zeigefinger steil in die Höhe und gebot ihm unmissverständlich Halt. Der Mönch war in einer Aufgewühltheit, wie er sie in seinem neuen umgekrempelten Dasein noch nie erlebt hatte, er zweifelte am Sinn seiner Verwandlung, trieb nun beinahe jede Woche den Teufel aus einer Nonne, ein schales Vergnügen, denn es zog ihn zu exquisiteren Formen der Lust hin, zu durch frisches, blaues Blut geadelten Praktiken. Es gelüstete ihn auch plötzlich wieder zu töten, seine Rolle als Exorzist mochte das Verlangen lange Zeit unterdrückt haben, jetzt brach es wieder aus ihm hervor. Jetzt, wo eine rätselhafte Schranke sich zwischen seinen despotischen Willen und dem auserkorenen Gegenstand seiner Begierden gesenkt hatte. Entweder, es gelang ihm bald, diese Schranke niederzureißen, beziehungsweise zu durchbrechen, oder er würde gezwungen sein, dem Wildbachrauschen in seinen Adern zu folgen, das den Blutdurst der inneren Bestie längst aufs Neue geweckt hatte.
Fortsetzung folgt