Schlagwort: Parabel

164. Kalenderblatt

Warten auf den dreisilbigen Distanzruf. Eine Parabel. Samuel Beckett gewidmet.

Sintek hatte Recht gehabt, als er behauptete: Blattschuss. Der heillos zerstrittene Sohn Hektors und sein Akolyth, der haarige Pendler, zogen weite Kreise um die Wüste Eden, zogen auch eine Mauer hoch, verwandelten die Wüste in einen Sandkasten für untote Kinder. Die flirrende Luft spiegelte ihnen eine Vision von unermesslicher Schönheit vor. Aber es war nur ein Pelikan. Sein Name war Botschen. Er sagte: „Ich habe Bauchschmerzen.“ Der haarige Pendler blickte zu Boden. „Da!“ sagte er. Eine fette Karikatur hatte ihre Fußspuren im Sand hinterlassen. Alle warteten sie auf den dreisilbigen Distanzruf. Aber sie wussten nicht, wann er kam, woher er kam, und ob er überhaupt kam. Gegen Mittag fanden sie einen abgebrochenen Ast von einem nicht vorhandenen Baum. Er diente ihnen als Wünschelrute und führte sie zur Quelle der Wahrheit, aus der ätzend Pisse aufstieg.

121. Kalenderblatt 01. 05. 2025

Eine Parabel

Maifeiertag. Die Gewerkschaften rufen zu ihren Maikundgebungen auf. Auch die unter Bauchschmerzen leidenden Maikäfer Germanistans riefen auf zu einer Großdemo, die irgendwann zwischen Mitternacht und Morgengrauen stattfinden sollte. Vom Geiste des seligen Wilhelm Busch beseelt, pilgerten sie zur Residenz des sauerländischen und sauertöpfischen, tölpelhaften Onkel Fritz, um ihn an seine Versprechen zu erinnern. Versprechen, die der große King Beil alle einkassiert hatte. Die Käfer wollten dem Onkel Fritz Feuer unter dem Hintern machen, denn das Feuer, das dieser bisher ausstrahlte, schien nicht mal in der Lage, ein Teelicht zu entflammen, es sei denn, es handelte sich darum, grünen Tee aufzuwärmen. Im Krebsgang wollten sie die lange Strecke bewältigen, bis sie sich der Tatsache bewusst wurden, dass sie doch Flügel hatten.

Angesichts eines solchen Aufmarsches beflügelter Opposition erfuhr die Uneinigkeit im Allparteienlager eine empfindliche Betriebsstörung. So rauften sie sich zusammen und errichteten eine imaginäre Mauer. Der Allparteienclan mobilisierte alle ihm zur Verfügung stehenden rhetorischen Kräfte und gründete einen Chor von gespaltenen Zungen. Im Sperrfeuer sophistischer Zungenwetzerei kam der Demonstrationszug der Sumsemänner dann zum Stehen. Sie wurden mit dem Sand leerer Versprechungen überhäuft und für weitere vier Jahre zum Engerlingsdasein unter germanischer Scholle verdammt.

Kommt dann in vier Jahren schon wieder das nächste böse Erwachen?

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