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106. Kalenderblatt 16. 04. 2025

Oft schon wurden die Politiker in diesem Kalender beleuchtet und wir sahen immer wieder viel Schatten und wenig, dazu noch stark getrübtes Licht. Heute werfen wir den unerbittlichen Scheinwerfer der Satire auf ihre Maskenbildner und Visagisten.

Die Visagisten und Maskenbildner unserer Politiker sind Chiropraktiker und Schönfärber, die den verlogenen Kernen auch noch zu einer verlogenen Schale verhelfen.

105. Kalenderblatt 15. 04. 2025

An einem 15. April vor vielen Jahren wurden die Akten zu einem der Aufsehen erregendsten Kriminalfälle der Geschichte geschlossen. Miss Piss konnte ihrer abscheulichen Verbrechen überführt werden.

Miss Mary Piss war eine üble Giftmischerin, eine Giftnatter, die sich darauf spezialisiert hatte, Ärzte zu vergiften, Urologen. Zaungast und Schwanz haben sie damals hops genommen, nachdem sie zu weit gegangen war und ihren Wellensittich vergiftet hatte. Er hieß übrigens Zilpzilipzilopzililp, der arme Kerl. Das ganze Land hat wochenlang um ihn getrauert, auf dem Ornithologenkongreß hat man drei Tage lang über Zilzilipzilopzililp und sein gewaltsames Ableben diskutiert. Miss Piss plädierte auf unschuldig. Ein Dämon namens Uro Buro habe ihr den Befehl erteilt, den Wellensittich zu ermorden, weil der sie verraten wollte. Nachdem sie ihrem Vogel zunächst vergeblich mit einem Tauchsieder gedroht hatte, habe sie ihn dann vergiftet, in kochendem Wasser gebadet und enthauptet. Sie wurde wegen dreifachen Mordes aus niederen Motiven verurteilt.

104. Kalenderblatt 14. 04. 2025

14. 04. Mitte April, Zeit der Kirschblüte. Die Menschen zieht es wieder nach draußen an die Frühlingsluft.

Des Spießers liebstes Kind ist – neben seinem Auto – zweifellos sein Garten, sein gepflegter, kultivierter Garten wohlgemerkt, mit einem Rasen, der in seiner Uniformität weder Gänseblümchen noch Löwenzahn duldet, dessen gestutzte Halme ein Ebenmaß aufweisen wie die Kunstfasern eines Teppichs oder einer grünen Matte. Ziergärten mit sorgsam frisierten Hecken und Sträuchern, und dem unvermeidlichen Springbrunnen, der dem Spießer das Murmeln eines Bächleins suggerieren soll, indes sich dem unvoreingenommenen Lauscher nichts als die Vorstellung von einer Kuh aufdrängt, die in ihren Fladen pisst.

Zur perfekten Gartenidylle fehlen dann nur noch Merz und Söder als Gartenzwerge und ein Fernseher, in welchem eine Talkshow oder die Nachrichten des ÖRR laufen.

103. Kalenderblatt 13. 04. 2025

Wiederum ist ein Blatt aus der Zukunft in diesen Kalender hineingeweht. Ein Blatt aus dem Jahre 2084 vom 13.April. Es behandelt den Begriff und die Definition der Kultur im Jahre 2084.

General Gomorrah wies den Piloten an, höher zu gehen. Die Nase des Helikopters neigte sich ein wenig aufwärts und die stählerne Libelle schraubte sich bis auf eine Höhe von circa 600 Fuß hoch.

„Gigantisch“, murmelte General Gomorrah verzückt. Die riesige Zeltstadt war in ihren Ausmaßen selbst aus dieser Höhe nicht zu überblicken. Gleich riesigen, mit Planen bedeckten Spargelbeeten erstreckten sich die in nord-südlicher Richtung verlaufenden Zeltreihen von Horizont zu Horizont. Nur wenn man gen Westen oder gen Osten schaute, konnte man eine Begrenzung dieser gewaltigen Zeltstadt erahnen. Wie viele Menschen mochten die Zelte beherbergen? Selbst General Gomorrah hatte davon keine genaue Vorstellung. 100 Millionen vielleicht? 200 Millionen? Oder noch mehr?

General Gomorrah lächelte. Die Morgenröte einer neuen Geistigkeit, die aus nachtversunkenen Kratern tumben Wahndenkens emporgestrahlt war, hatte sich auf sein Gesicht gelegt. Hass war die Essenz dieses Denkens. Hass auf alles Lebende, Hass auf das Leben selbst. Der General hatte die bitteren Früchte des Hasses schon längst bis auf den letzten Tropfen ausgepresst und ihren berauschenden Saft getrunken, der sein Denken bis auf den Grund vergiftet hatte, denn General Gomorrah war ein Produkt der künstlichen Intelligenz.

Es war seine Zeltstadt da unten, seine Menschen. Menschen ohne Namen, ohne Charaktereigenschaften; numeriert, standardisiert, digitalisiert. Menschenkulturen in Zeltstädten wie Virenkulturen in der Petrischale. Die digitale Revolution hatte auf ganzer Linie gesiegt.

102. Kalenderblatt 12. 04. 2025

Heute richten wir den Blick wieder in die Zukunft, in die nähere Zukunft diesmal. Im Juni erscheint in aktualisierter, verbesserter und erweiterter Auflage ‚Fletcher’s Kleines Wirtschaftsbestiarium‘ im Wolfgang Hager Verlag. Die erste darin portraitierte Bestie ist der Aal, der wie keine andere Bestie für die Schlüpfrigkeit, die Windungen und Wendungen der Politiker steht, wie sie es uns gerade wieder durch den neuen Koalitionsvertrag in aller Deutlichkeit vor Augen führen. Und damit sind wir mit unserem Kalender wieder in der Aktualität. Hier nun das Portrait des Aals:

Lügen haben kurze Beine. So wird behauptet. Der Aal hat gar keine Beine. Er ist schlüpfrig und glatt, aalglatt. Der Aal hat auch keine Füße, obschon diejenigen, die seinem Zickzackkurs folgen, nicht selten auf dem falschen Fuß erwischt werden.

Er ist der Meister der Wendungen und Windungen, denn niemals erlangt jemand von ihm unumwundene Informationen. Seine gewundene Schlüpfrigkeit ermöglicht es ihm, allen Versuchen, ihn in die Bahnen gesicherter oder zumindest seriöser Prognosen, beziehungsweise verlässlicher Aussagen zu zwingen, konsequent entgegen zu steuern.

Das Vorkommen des Aals ist ubiquitär. Es erstreckt sich von den unteren bis in die höchsten Etagen der Wirtschafts- und Finanzimperien sowie Parteizentralen.

101. Kalenderblatt 11. 04. 2025

Aus Zaungasts Aphorismen-Sammlung

Die Keuschheit erscheint mir als das lächerlichste aller Laster, denn sie lästert nichts Geringeres als das Leben selbst.

Immer mehr Antworten, die ihre Frage nicht abwarten können.

Einige wenige Literaten nehmen noch Pfeffer und Salz zum Würzen ihrer Texte. Die Masse verwendet Geschmacksverstärker.

Mit Unfug und Unrecht.

Deutschlands höchster Berg – der Schuldenberg. Das ist der Gipfel! Das ist ein Kreuz!

Du kannst Balsam auf deine seelischen Wunden auftragen lassen. Aber wenn du den Schmerz komplett einbalsamierst, beraubst du dich deiner tiefsten Empfindungen.

Der durchschnittliche Krisenmanager versucht, das Kind vom Baum zu retten, obwohl es doch in den Brunnen gefallen ist.

100. Kalenderblatt 10. 04. 2025

Zehnter April 1877. Der Geburtstag Alfred Kubins, dem wir dieses Blatt widmen wollen. Bekannt vor allem als Illustrator phantastischer Literatur wie beispielsweise der Werke Edgar Allan Poes, hat er auch selbst einen bedeutenden Beitrag zum literarischen Surrealismus beigesteuert. Den Roman ‚Die andere Seite‘. Hieraus nun ein paar bemerkenswerte Zitate daraus:

„Ihnen entgegenkommende Menschen verdoppelten oder vervielfachten sich, wurden zu Ansammlungen! Sie hoben die Beine, um über eingebildete Hindernisse hinweg zu schreiten, tasteten sich auf allen vieren den Boden entlang, stets vor sich einen Abgrund wähnend.“

„Sie lallten nur noch, konnten sich nicht mehr verständigen, sie hatten das Vermögen der Sprache verloren. Fast alle waren nackt, die robusteren Männer stießen die schwächeren Weiber in die Aasflut, wo sie, von den Ausdünstungen betäubt, untergingen. Der große Platz glich einer gigantischen Kloake, in welcher man mit letzter Kraft einander würgte und biß und schließlich verendete. Aus Fensterlöchern hingen die starren Leiber entseelter Zuschauer, deren gebrochene Blicke dieses Königreich des Todes spiegelten.“

„Auf den Boden ausgestreckt, kam mir die Leiche bedeutend länger vor, aber zu meinem Schrecken wuchs sie noch immer – ruckweise, knackend, wie aus einem geheimen Kraftüberschuß.“

„Wie ich erfahren habe, opferte er im Namen des Traumvolkes der Sumpfmutter und verband sich aufs neue mit ihr – in Mysterien, in denen Blut und Geschlecht besonders bedeutsam waren. Ein alter Tempelspruch ‚Auf Blut steht Wahnsinn‘ war in Erfüllung gegangen.“

Kubin beschreibt einen untergehenden Staat, der in seiner Düsternis, in seiner chaotischen Irrwitzigkeit das 1984 von George Orwell deutlich in den Schatten stellt. Und damit ist auch wieder der Bogen in die heutige Zeit geschlagen.

99. Kalenderblatt 09. 04. 2025

Neunter April 2025, der Tag des Einhorns. National and international unicorn day.

Das Einhorn, des (nicht nur) deutschen, romantischen Spießers Wunderhorn. Aus dem Dunkel des Märchenwaldes getretenes Fabelwesen von erhabener Großartigkeit. Die exquisiteste Form natürlicher Grazie, die Vollkommenheit ästhetischen Ausdrucks, das edelste unter den Fabeltieren.

Oder doch eher der Phallus der Machtgeilheit? In der Heraldik nämlich stellt das Einhorn ein Symbol der Macht dar. Bei den alten Ägyptern drückte es die Herrschaft über die Welt aus. Mit seinem spiralförmig gedrechselten Horn hat das Einhorn die Seelen vieler zeitgenössischer Politiker aufgespießt. Dort zappeln sie wie die Beute eines Neuntöters an einem Dornbusch in ihrer unersättlichen Machtgier. Wie Kommissar Zaungast es schon gestern in diesem lehrreichen Kalender formuliert hatte: Der Mensch hat keine Macht, die Macht hat den Menschen.

98. Kalenderblatt 08. 04. 2025

Das Gerangel um die Macht zeigt sich dieser Tage besonders deutlich in der Verhandlungsführung von Friedrich Merz, der scheinbar all seine Wertvorstellungen und Überzeugungen seinem Machtstreben unterordnet.

Ein jeder, der vom Streben nach Macht beherrscht wird, sei er Politiker, Gewerkschaftsfunktionär oder Vorstand eines großen Unternehmens, ist bestrebt oder sogar gezwungen, gewisse Grenzen, an die seine Macht zwangsläufig einmal stoßen wird, zu überschreiten; er wird also irgendwann vorstoßen ins Unsoziale, ins Unmoralische und Unsittliche, früher oder später auch ins Ungesetzliche; sein Machtstreben wird schließlich faustische Züge annehmen. Die Gesetze der Macht fordern und befördern dies unerbittlich. Deshalb sind diese Leute auch alle korrupt und käuflich. Alle! Keinem von ihnen gestehe ich zu, sich auf die berühmte Ausnahme berufen zu dürfen.

Das alles Entscheidende jedoch ist, dass der Mensch keine Macht hat, die Macht hat ihn. Sie beherrscht sein Reden, sein Tun, sein Denken.

97. Kalenderblatt 07. 04. 2025

Heute ist Montag, der siebte April 2025. Folglich war gestern Sonntag. Tatorttag. Aber eigentlich ist mittlerweile jeder Tag ein Tatorttag, sowohl im ARD-Fernsehen als auch auf den Straßen, wo die Messer gewetzt werden. Im Fernsehtatort sind die Mörder in der Regel üble, rechtsradikale Gesellen. Kampf gegen Rechts auch in der Fernsehunterhaltung. Aber was will man vom ÖRR auch anderes erwarten? Die Fernsehkommissar:innen, wie es auf Fernsehdeutsch heißt, kämpfen aber nicht nur gegen rechtsradikale Schurken, sondern auch mit eigenen, laienhaft diskutierten Problemen psychischer Natur. Menschelnde Kommissar:innen, linke Gutmenschen eben.

Kommissar Zaungast ist in seiner Art völlig konträr dazu. Ein Donald Trump unter den Kommissaren: Unberechenbar, erratisch, gewalttätig. Ein Beispiel: In einer wahren Zerstörungsorgie fegen Kommissar Zaungast und seine Handlanger von der paramilitärischen Baustelle durch die Pattstraße und terrorisieren die Anwohner. Bis eine große Mauer (auch in den Köpfen) ihnen Einhalt gebietet. Aber wen oder was suchen sie dort überhaupt? In welcher Angelegenheit ermitteln sie? Auch für den Leser ist das eine kaum zu knackende Nuss.

Ein Hinweis vom Rückseitentext der Kriminalgroteske ‚Zaungast ermittelt in der Pattstraße‘: Auf Geheiß Kommissar Zaungasts graben und schachten die vierschrötigen, hünenhaften und gewalttätigen Rüpel von der paramilitärischen Baustelle eingangs der Pattstraße. Tagaus, tagein. Ihr Auftrag: In den Tiefen des geheimen Vermutlochs nach dem schaurigsten und geheimsten aller Geheimnisse zu fahnden.

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